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Monat: Dezember 2020

BGH: Darlegung mithilfe der Abschlussmitteilung des BAMF

Haftanträge müssen, um zulässig zu sein, die vollzieh- und vollstreckbare Ausreisepflicht darlegen (Kaniess Abschiebungshaft-HdB Rn. 314 ff. mwN). Insbes. beim Referat der Bescheidlage passieren hier häufig Fehler, weil zwar geschrieben wird, Bescheide seien zugestellt, jedoch nicht, „aufgrund welcher Tatsachen von einer wirksamen Zustellung oder Zustellungsfiktion“ auszugehen ist (BGH Beschl. v. 23.6.2020 – XIII ZB 87/19 – juris-Rn. 10). Diese ist aber haftrichterlich zu prüfen, weil es sonst an den Voraussetzungen für die Abschiebungshaft mangelt (BVerfG Beschl. v. 9.2.2012 – 2 BvR 1064/10 – InfAuslR 2012, 186 – juris-Rn. 23-25).

Praktisch häufig werden in Asylverfahren Abschlussmitteilungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge als Anlage zum Haftantrag referenziert, die das Datum der Zustellung und der Bestandskraft des (ablehnenden) Asylbescheides nennen. Sie enthalten allerdings keine tatsächlichen Angaben, anhand derer das Gericht die Wirksamkeit der Zustellung und damit die Richtigkeit dieser Angaben prüfen könnte. Deswegen wurden sie in Vergangenheit bisweilen als nur für eine einstweilige Haftanordnung, nicht aber für eine Hauptsache-Entscheidung ausreichend angesehen (Kaniess aaO Rn. 316 aE, 708 Nr. 1 aE).

Allerdings soll anhand dieser Mitteilungen nach neuer Rspr des BGH nun gleichwohl die wirksame Zustellung feststellbar sein. Denn von der Richtigkeit der Mitteilung soll auszugehen sein: Weitergehende „[a]mtswegige Ermittlungen nach § 26 FamFG sind nur veranlasst, wenn sich Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Abschlussmitteilung ergeben.“ (BGH Beschl. v. 24.8.2020 – XIII ZB 83/19 – juris-Rn. 26) Würden daher im Haftantrag Aslybescheid und Abschlussmitteilung referenziert, reiche dies, um die Ausreisepflicht darzulegen und gerichtlicherseits festzustellen (BGH aaO).

Auswirkung auf die Praxis:

Ohne Prüfung der gem. § 31 Abs. 1 S. 3 AsylG nötigen wirksamen Zustellung eines ablehnenden Asylbescheides darf keine Haft angeordnet werden. Die Abschlussmitteilung hierfür ausreichen zu lassen, ist kritisch: Sie ist behördliche Nachricht, keine öffentliche Urkunde gem. § 418 ZPO, zumal sie nicht einmal gesetzlich vorgesehen ist. Sie einer PZU gleichzustellen (welche die wirksame Zustellung von Bescheiden belegen kann, Kaniess aaO Rn. 314 mwN), überzeugt daher nicht. Dies spricht dafür, Darlegungen mithilfe von Abschlussmitteilungen weiterhin nur als für eine einstweilige Anordnung (§ 427 FamFG) hinreichend zu halten, für die Hauptsache aber die Darlegung der konkreten Tatsachen der Zustellung zu fordern.

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BGH: Einvernehmen StA bei vorl. Einstellung gem. § 154 StPO

Nach § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG darf, vorbehaltlich mehrerer Ausnahmen, ein Ausländer nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden, soweit gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft (Kaniess Abschiebungshaft-HdB Rn. 151 ff.). Dabei handelt es sich (entgegen früherer Rspr.) um ein temporäres Abschiebungshindernis (vgl. hier im Blog), das folglich iRd Prognose der Durchführbarkeit der Abschiebung in der Haftzeit für das Haftgericht zu berücksichtigen ist.

Während gem. § 154f StPO (regelmäßig wg. Unerreichbarkeit des Beschuldigten) vorläufig eingestellte Verfahren das og Beteiligungserfordernis auslösen, ist dies nun nach der Rspr des BGH bei gem. § 154 StPO mit Blick auf andere Verfahren vorläufig eingestellten Strafverfahren nicht der Fall: Denn anders als in Fällen fehlender Erreichbarkeit „hat die Staatsanwaltschaft [bei einer Einstellung gem. § 154 StPO] zum Ausdruck gebracht, dass aus ihrer Sicht insoweit kein öffentliches Strafverfolgungsinteresse besteht“; diene das Beteiligungserfordernis der Sicherung der Strafverfolgung, erfordere dieser Zweck in solchen Fällen kein Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mehr (BGH Beschl. v. 6.8.2020 – XIII ZB 31/20 – juris-Rn. 15).

Auswirkung auf die Praxis:

Behördlicherseits ist künftig bei Haftanträgen für gem. § 154 StPO eingestellte Strafverfahren kein Einvernehmen mehr einzuholen. Dieser Umstand ist jedoch im Haftantrag darzulegen, da für das Haftgericht regelmäßig sonst nicht ersichtlich ist, welchen Verfahrensstand laufende Strafverfahren haben und ob sie Beteiligungserfordernisse auslösen.

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