Nach § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG darf, vorbehaltlich mehrerer Ausnahmen, ein Ausländer nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden, soweit gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft (Kaniess Abschiebungshaft-HdB Rn. 151 ff.). Dabei handelt es sich (entgegen früherer Rspr.) um ein temporäres Abschiebungshindernis (vgl. hier im Blog), das folglich iRd Prognose der Durchführbarkeit der Abschiebung in der Haftzeit für das Haftgericht zu berücksichtigen ist.
Während gem. § 154f StPO (regelmäßig wg. Unerreichbarkeit des Beschuldigten) vorläufig eingestellte Verfahren das og Beteiligungserfordernis auslösen, ist dies nun nach der Rspr des BGH bei gem. § 154 StPO mit Blick auf andere Verfahren vorläufig eingestellten Strafverfahren nicht der Fall: Denn anders als in Fällen fehlender Erreichbarkeit „hat die Staatsanwaltschaft [bei einer Einstellung gem. § 154 StPO] zum Ausdruck gebracht, dass aus ihrer Sicht insoweit kein öffentliches Strafverfolgungsinteresse besteht“; diene das Beteiligungserfordernis der Sicherung der Strafverfolgung, erfordere dieser Zweck in solchen Fällen kein Einvernehmen der Staatsanwaltschaft mehr (BGH Beschl. v. 6.8.2020 – XIII ZB 31/20 – juris-Rn. 15).
Auswirkung auf die Praxis:
Behördlicherseits ist künftig bei Haftanträgen für gem. § 154 StPO eingestellte Strafverfahren kein Einvernehmen mehr einzuholen. Dieser Umstand ist jedoch im Haftantrag darzulegen, da für das Haftgericht regelmäßig sonst nicht ersichtlich ist, welchen Verfahrensstand laufende Strafverfahren haben und ob sie Beteiligungserfordernisse auslösen.