Nach § 72 Abs. 4 S. 1 AufenthG darf, vorbehaltlich mehrerer Ausnahmen, ein Ausländer nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden, soweit gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft (Kaniess Abschiebungshaft-HdB Rn. 151 ff.). Dabei handelt es sich (entgegen früherer Rspr.) um ein temporäres Abschiebungshindernis (vgl. hier im Blog), das folglich iRd Prognose der Durchführbarkeit der Abschiebung in der Haftzeit für das Haftgericht zu berücksichtigen ist.
Dabei war der BGH bei den nötigen Darlegungen vormals streng: So musste zB bezeichnet werden, „welche Staatsanwaltschaft für welches Verfahren“ ihr Einvernehmen erteilt hatte (BGH Beschl. v. 9.5.2019 – V ZB 188/17 – juris-Rn. 8) oder aus welcher GenStA-Verfügung samt Datum und Aktenzeichen sich ein generelles Einvernehmen ergab (BGH Beschl. v. 11.10.2012 – V ZB 72/12 – juris-Rn. 8), um die Angaben konkret überprüfbar zu machen.
Das wird künftig nicht mehr gelten: Nunmehr lässt der BGH bereits die pauschale Angabe ausreichen, dass aufgelistete Verfahren „entweder abgeschlossen, eingestellt bzw. die zuständige Staatsanwaltschaft (…) ihr Einvernehmen mit der Abschiebung gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG erteilt [habe] bzw. die Straftat (…) vom generellen Einvernehmen durch die Generalstaatsanwaltschaft (…) gedeckt“ sei (BGH Beschl. v. 10.11.2020 – XIII ZB 69/19 – juris-Rn. 9).
Auswirkung auf die Praxis:
Die Rücknahme der Darlegungsanforderungen ist konsequent: Führt selbst ein von der Behörde fälschlich als bestehend oder nicht erforderlich angenommenes Einvernehmen nicht mehr zur Rechtswidrigkeit der Haft (BGH aaO juris-Rn. 10), geht es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr um die konkrete Überprüfbarkeit. Diesen Punkt mag man zweifelhaft finden (vgl. hier im Blog), folgt man dem allerdings, wird der Prüfungsmaßstab des Haftrichters abermals verringert.