Der Indiztatbestand der Fluchtgefahr in § 62 Abs. 3b Nr. 4 AufenthG setzt voraus, dass d. Betr. wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Dabei ist dem Wortlaut nach jede Verurteilung ausreichend, was aber nach der Historie (BT-Drs. 19/10047, S. 42) nicht recht überzeugt und nach dem Zweck der Vorschrift (kein Sanktionscharakter, nur Sicherung der Ausreise) fern liegt; nötig ist daher, dass aus den Urteilen oder dem Prozessverhalten auf die Einstellung d. Betr. zur Erfüllung seiner Ausreisepflicht zu schließen ist (zG Kaniess Abschiebungshaft-HdB Rn. 124).
Nun hat auch der BGH diese einschränkende Auslegung bestätigt: „Verurteilungen genügen allein jedoch nicht für die Annahme von Fluchtgefahr. Vielmehr muss durch das Verhalten des Ausländers zu Tage treten, dass er der deutschen Rechtsordnung ablehnend oder gleichgültig gegenübersteht und deshalb zu erwarten ist, dass er auch anderen gesetzlichen Pflichten wie der Ausreisepflicht, die zu sichern die Abschiebungshaft einzig dient, nicht freiwillig nachkommen wird“ (BGH Beschl. v. 18.5.2021 – XIII ZB 2/20 – juris-Rn. 10; so auch AG Tiergarten Beschl. v. 3.1.2020 – 383 XIV 2/20 B – juris-Rn. 18).
Auswirkung auf die Praxis:
Der Haftrichter darf sich daher nicht nur auf Angaben im Bundeszentralregister stützen, sondern muss die konkreten Verfahren würdigen, inklusive ein ggf. bedeutsames (zB kooperatives) Vollzugsverhalten d. Betr. (BGH aaO Rn. 12 f, bes. 13 aE). Entsprechend muss sich auch der Antrag der Behörde hierzu verhalten; tut er dies nicht, ist er (insofern) unzulässig (Kaniess aaO Rn. 321 f.).
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