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BGH: Darlegung zu Zustellungen

Nach § 417 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 FamFG müssen Haftanträge die Verlassenspflicht darlegen: Bei aufenthaltsbeendenden Bescheiden muss die Behörde den Bescheid „nicht nur ausdrücklich benennen, sondern auch darlegen, aufgrund welcher Tatsachen von einer wirksamen Zustellung oder Zustellungsfiktion ausgegangen worden ist“ (BGH Beschl. v. 23.7.2020 – XIII ZB 87/19 – juris-Rn. 10). Daher muss „dem Antrag (…) zu entnehmen sein, (…) ob und in welcher Form eine Bekanntgabe (…) erfolgt ist (… , zB mittels ZU)“ (BVerfG Beschl. v. 9.2.2012 – 2 BvR 1064/10 – InfAuslR 2012, 186 – juris-Rn. 23 f.). Nur so kann haftrichterlich die Zustellung überprüft werden (zG Kaniess, Abschiebungshaft-HdB Rn. 33, 36, 55, 314 ff. mwN).

Dass dieser Anforderung mithilfe der Abschlussmitteilung des BAMF Genüge getan werden kann, ist zweifelhaft (vgl. hier im Blog). Dies hat den BGH bewogen, die Anforderung erheblich zurückzuschrauben: Nur wenn „auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts (…) Zweifel an der Zustellung oder am Eingreifen der Zustellungsfiktion (bestehen), muss die beteiligte Behörde zur Zustellung bereits in ihrem Haftantrag nähere Ausführungen machen“ (BGH Beschl. v. 15.12.2020 – XIII ZB 93/19 – juris-Rn. 12). Die früher strengeren Anforderungen sollen damit ausdrücklich aufgegeben werden (BGH aaO Rn. 9).

Zu den diffizilen Fragen des § 10 Abs. 4 AsylG (dazu Kaniess aaO Rn. 34) inkl. der vormals erforderlichen Angabe zB zur hinreichenden Belehrung (§ 10 Abs. 7 AsylG, so noch BGH Beschl. v. 21.8.2019 – V ZB 10/19 – InfAuslR 2019, 453 – juris-Rn. 7 ff.) muss daher nur noch bei Zweifeln dargelegt werden (BGH aaO Rn. 11). Es soll fortan insgesamt genügen, wenn die Behörde „nachvollziehbar so vorträgt, dass der Haftrichter konkrete Nachfragen stellen kann“ (BGH aaO Rn. 10).

Auswirkung auf die Praxis:

Die Entscheidung ergeht im Kontext der (komplexen) Prüfung von Zustellungsfragen an oft unbekannt verzogene Personen, die sich Asyl-Entscheidungen nicht stellen. Hierfür bietet sie eine erhebliche Vereinfachung des Prüfungsmaßstabes, da sie die prozessrechtsdogmatische Grundlage für die (einfache) Berufung auf die BAMF-Abschlussmitteilungen schafft. Allerdings scheint erstens zweifelhaft, ob dies der vom BVerfG referenzierten Darlegung genügt. Zweitens fragt sich, wann Zweifel „auf Grund des vorgetragenen Sachverhalts“ bestehen – wird nicht gerade widersprüchlich dargelegt, scheint dies kaum denkbar.

Die Entscheidung kann einen Grundstein für schlanke Haftanträge legen: Nachvollziehbar so darzulegen, dass der Haftrichter „konkrete Nachfragen“ stellen kann, klingt einfach; die Maßstäbe der Nachvollziehbarkeit und Konkretheit sind vage. Derartige Kriterien laufen Gefahr – zumal zum Asylrecht entschieden, sprachlich aber generell gehalten und allgemein an § 417 Abs. 1 S. 2 FamFG angeknüpft – die bisherigen Darlegungsanforderungen in Frage zu stellen. Es bleibt abzuwarten, ob es sich um einen Sonderweg zur Asyl-Zustellung handelt oder zum generellen Trend in der Rspr des BGH entwickelt; letztes ist jedenfalls bisher trotz Berufung auf die og Entscheidung an späterer Stelle nicht der Fall (zB BGH Beschl. v. 23.3.2021 – XIII ZB 95/19 – juris-Rn. 6).

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