Mit Inkrafttreten des sog. Rückführungsverbesserungsgesetzes werden sich prozessual folgende Änderungen ergeben:
- Es wurde eine Regelung über rechtsanwaltliche Beiordnung eingeführt.
- Nach § 427 Abs. 3 FamFG nF genügt künftig für eine Vorab-Haftanordnung ohne Anhörung (dazu Kaniess Abschiebungshaft-HdB, 2. Aufl. 2024, Kap. 11 Rn. 3, Kap. 13 Rn. 12 f.), dass eine „vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde“. Zwar wurde die von § 427 Abs. 2 FamFG vorausgesetzte Gefahr im Verzug praktisch bisher ebenso verstanden (Kaniess aaO ebd.); künftig werden Fälle der Gefahr des Untertauchens bei Ladung zur Anhörung nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 20/9463 S. 64) aber dem neuen Abs. 3 unterfallen. Die Anhörung ist nach Ergreifen unverzüglich nachzuholen (§ 427 Abs. 3 S. 2 FamFG nF).
- Das behördliche Beschwerderecht iFd Haftablehnung (welche bei Freilassung d. Betr. eine Erledigung des Verfahrens begründet) war bisher eingeschränkt und konnte praktisch regelmäßig allenfalls die Kostenentscheidung betreffen (zG Kaniess aaO Kap. 14 Rn. 23, Kap. 13 Rn. 237 f.). Durch § 62 Abs. 3 FamFG nF liegt nun aber für eine auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung gestützte Beschwerde behördlicherseits ein Feststellungsinteresse vor, soweit die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einheitlicher Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 70 Abs. 2 S. 1 FamFG; zu diesen Kriterien Kaniess aaO Kap. 14 Rn. 99). Da das Ausgangsgericht die Zulässigkeit einer Beschwerde – und damit die Einschlägigkeit dieser Kriterien – nicht zu prüfen hat (Kaniess aaO Kap. 13 Rn. 210), muss es in einem Abhilfeverfahren immer sachlich über einen solchen behördlichen Feststellungsantrag entscheiden.
Auswirkung auf die Praxis:
Zur rechtsanwaltlichen Beteiligung vgl. Blogbeitrag.
Die Zahl von Vorab-Haftanträgen bei bekanntem Wohnsitz war bisher gering, was jedoch auch an Ungewissheit im Umgang mit den Kriterien des § 427 Abs. 2 FamFG lag. Der neue Abs. 3 klärt diese Fälle; ob damit eine Steigerung der Fälle von Haftanträgen zu erwarten ist, dürfte jedoch fraglich sein, da sich bei bekanntem Wohnsitz grds. die Frage der Erforderlichkeit der Haft wg. der Möglichkeit eines Zugriffs für eine Direktabschiebung stellt.
Das behördliche Beschwerderecht dürfte wg. der Bindung an die Kriterien des § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG weniger in der landgerichtlichen, als in der amtsgerichtlichen Praxis relevant werden. Eine große Rolle wird es vrsl. nicht spielen. Denn das Gros behördlicher Haftanträge scheitert iFd Ablehnung an den Darlegungsanforderungen des § 417 FamFG (Kaniess aaO Kap. 12). Da für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Haftablehnung nach § 62 FamFG auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erledigung (=Freilassung) abzustellen ist, führt eine Nachholung mangelhafter Darlegungen in einer Beschwerde nicht zum Erfolg derselben. Da iÜ die Darlegungsanforderungen erheblich bzw. nachgerade umfassend durch den BGH geklärt sind (Kaniess aaO), wird es in diesen Fällen regelmäßig an den die Beschwerde zulässig machenden Kriterien des § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG fehlen und das Landgericht daher keine Sachentscheidung mehr treffen müssen.